Didaktik der Kennzeichnung von Lebensmitteln

Didaktik soll in der Regel das aus den jeweiligen Fachwissenschaften herausfiltern, was von allgemeiner, existentieller Bedeutung für das Leben (Überleben und menschenwürdiges Leben) ist und daher als lehrnotwendig legitimiert gelten kann. (Wolfgang Hilligen 1991).

Die besondere Herausforderung an die „Didaktik der Kennzeichnung von Lebensmitteln“ besteht also darin, die für eine der Gesundheit dienliche Kaufentscheidung wesentlichen Merkmale eines Lebensmittels zu erkennen und darzustellen.

  • Was sind die wesentlichen Informationen?
  • Sind diese Informationen von möglichst vielen Menschen zu verstehen?
  • Wie ist eine optimale Präsentation zu gestalten?

Diese Kernfragen müssen kurz und knapp oder positiv beantwortet werden können. Dann macht eine Kennzeichnung Sinn und bringt einen Nutzen.

Was sind die wesentlichen Informationen?
Die Energie ist die wesentliche übergeordnete „Eigenschaft“ der menschlichen Ernährung. Das Wissen um den Energiegehalt von Lebensmitteln ist daher elementar und fundamental. Begleitet von der Kenntnis wie viel Energie ein Körper individuell braucht kann der Organismus optimal versorgt werden und sein Gleichgewicht finden.

Gibt es zudem noch wesentliche Aspekte, die zum Verständnis führen?
Die Energie setzt sich aus nur 3 „Elementen“ zusammen. Darum ist es sinnvoll diese drei HauptEnergieträger zu kennen: Fette, Kohlenhydrate und Proteine (Eiweiß). Die Zusammensetzung aus diesen 3 Energieträgern gibt der Nahrung die energetische Charakteristik.

Sind diese Informationen von möglichst vielen Menschen zu verstehen?
Ja. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner der Ernährung, den alle Menschen, wenn sie es nicht bereits wissen, mit minimalem „Lernaufwand“ verstehen können.

Wie ist eine optimale Präsentation zu gestalten?
Um für möglichst alle Menschen eine Information zu übermitteln ist die Verwendung von Symbolen wesentlich, die das Wissen eindeutig beschreiben. Das muss nicht die Sprache oder ein Zahlensystem sein. Eine Information kann auch in einer optischen Auflösung bestehen. Das visuelle Potential der Wahrnehmung im Prozess des Verstehens ist um ein vielfaches größer als das jeder Sprache!

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Optimale Kennzeichnung für die Industrie
Natürlich muss die Umsetzbarkeit der Kennzeichnung auf den Verpackungen gegeben sein. Bei der sCALe ist diese Umsetzbarkeit optimal, denn es gibt keinerlei Sprachenvielfalt zu berücksichtigen. Die Positionierung auf der Schauseite braucht wenig Platz.

Weitere Details
Die besondere Herausforderung an die „Didaktik der Kennzeichnung von Lebensmitteln“ besteht also darin, die für eine der Gesundheit dienliche Kaufentscheidung wesentlichen Merkmale eines Lebensmittels zu erkennen und darzustellen.

Die EU hatte im Rahmen der einheitlichen Regelungen für die Kennzeichnung von Lebensmitteln Ideen und Vorschläge von unterschiedlichen Institutionen europaweit gesammelt: Industrie, Handel, Gesundheitsdienstleister, staatl. Behörden, Verbände, Vereine… , um mit dem Hintergrund über diese „Ideenabfrage“ dahin zu kommen, die „wesentlichen Merkmale für eine Kennzeichnung“ aus der Vielzahl von Eingaben herausfiltern zu können. Das ist nicht gelungen. Ob ein solches Unterfangen überhaupt auf diese Art gelingen kann ist fraglich. Darüber hinaus sollten auch globale Aussagen berücksichtigt werden, wie etwa die von der WHO dahin gehend, was denn wesentliche Kriterien seien, die der Weltbevölkerung zur Kenntnis über Lebensmittel mitzuteilen Sinn machen würden. Hierin mag ebenso die Wurzel des „Übels“ liegen.

Ist die Findung einer europaweiten Didaktik bereits mehr als komplex, kann im Sinne einer weltweit gültigen Aussageselektion eine Lösung für eine sinnvolle globale Kennzeichnung unmöglich werden.

Für einen Hunger leidenden Menschen ist eine Differenzierung der Energieträger eine sekundäre Fragestellung – die lebensnotwendige Energie überhaupt zuführen zu können ist hier absolut primär. Im Gegensatz dazu steht die gesundheitsdienliche Auseinandersetzung eines durchschnittlichen Mitteleuropäers mit dem Energiegehalt, denn hier muss im Rahmen der Vermeidung von Adipositas als Zeichen von übermäßiger Kalorienzufuhr zwar ebenso der Energiegehalt erkannt werden, doch mit dem Ziel, möglichst wenig hiervon in einem Nahrungsangebot aufzunehmen. Stellt dies zwar im Vergleich zum Hungernden einen absoluten Luxus dar (der an dieser Stelle nicht diskutiert werden kann), so ist die Wirkung in beiden Fällen gesundheitlich destruktiv, wenn das Ziel nicht erreicht wird.

Wenn in diesem Sinne die WHO wesentlich findet, zu wissen, wie viel Energie, Fett, gesättigtes Fett, Zucker und Salz in einem Lebensmittel sind, ist dies in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Der Grundfehler besteht bereits in der Übernahme dieser WHO Empfehlung als Basis für die Didaktik der aktuellen Kennzeichnungsmodelle „GDA“ und ebenso der „Ampel“.

Damit soll nicht gesagt werden, dass es sich hier nicht um durchaus interessante Nährwerte handelt. Es soll aber sehr wohl gesagt werden, dass sich mit dieser Fixierung keine sinnvolle, kohärente Ernährungslehre verbinden lässt. Es fehlen nicht nur wesentliche Elemente, wie Proteine und diverse Kohlenhydrate, sondern es wird zudem Fett direkt als Ganzes und zusätzlich in Form einer Fraktion, dem gesättigten Fett dargestellt.

Das ist sinnbildlich vergleichbar mit einer Landkarte, auf der zwar steht, wie lang das gesamte Autobahnnetz ist, die graden Autobahnen eingezeichnet sind, die Ungeraden fehlen, dafür dann wieder alle Bundesstraßen, aber nur in einigen Bundesländern, Staatsstraßen fehlen dann wieder, und schließlich sind komplett alle Streufahrzeuge und deren durchschnittliche Streuleistung (entsprechen Salz) verzeichnet – was möchte man mit solch einer Karte?

Was kann denn als eine Didaktik der Lebensmittelkennzeichnung gelten?
Die Energie möglichst in einem Gleichgewicht zu halten zwischen Verbrauch und Zufuhr ist die elementare Basis für das Ernährungsverständnis. Der „Volksmund“ hat sich auf die Kalorien als Maßeinheit für die Energie verständigt – Joule konnte sich nicht durchsetzen.

Logisch konsequent folgt dann die Analyse der Energie in Energieträger. Da es nur 3 (4 inkl. Alkohol) Haupt-Energieträger gibt ist es sinnvoll diese zu benennen, denn da bewegen wir uns noch nicht ganz ausschöpfend auf dem Lernniveau Kindergarten (etwa wie den Wert der 5 Finger zu einer Hand zu addieren). Die „Ernährungsfinger“ heißen jetzt nur nicht „Daumen, Zeige-, Mittel-, Ring- und kleiner Finger, sondern Fett, Kohlenhydrate und Proteine. Weil sich bei europäischen Erwachsenen der Alkoholanteil an der Gesamtenergiezufuhr bereits bei 5% befindet, muss Alkohol als Energieträger ebenso bekannt gemacht werden. Alle weiteren energetischen Bestandteile sind vernachlässigbar.

Das ist es schon! Das muss die Basis für eine Lebensmittelkennzeichnung sein. Energie mit der Einheit Kalorien (kcal) ist für alle Energieträger (Fett, Kohlenhydrate, Proteine, Alkohol) identisch. Nicht aber die Menge der Energieträger. So ist es aus energetischer Perspektive unerheblich woher die Kalorien kommen, ob aus Fetten, Kohlenhydraten, Proteinen, Volumen%-Alkohol, Fett in der Trockenmasse, aus cis- oder trans-Fettsäuren, Zucker, komplexen Kohlenhydraten, mehrfach ungesättigten Fettsäuren etc.pp.

Alle diese Energieträger haben eine unterschiedliche „Energiedichte“. Das größte Potential bringt Fett mit sich. Per Vereinbarung zur Vereinfachung haben Fette eine Energiedichte von 9 kcal pro Gramm. Alkohol hat eine Energiedichte von 7 kcal/g und Proteine und Kohlenhydrate jeweils von 4 kcal/g. Das ist durchaus auch noch interessantes Wissen – doch muss eine Kennzeichnung hier Prioritäten setzen. Wir befinden uns hiermit bereits in der Mittelstufe des Ernährungswissens.

Kalorien können als bekanntes Maß für Energie vorausgesetzt werden. Verwendet man die stark vereinfachte physikalische Praxisdefintion für eine Kalorie, dann kann man mit einer Kalorie ein Gramm Wasser um ein Grad erwärmen. Ein Liter Wasser braucht also 1000 Kalorien oder 1 kcal hierfür.

Die Darstellung der anteiligen Energieträger soll in Kalorien erfolgen – nicht in Gramm. Dann muss der Verbraucher erst gar keine Umrechnungen anstellen, muss also zum Verständnis über den Energiegehalt eines Lebensmittels und dessen Energieträger zunächst nichts weiter lernen.

Wenn man jetzt zudem die Informationen haben möchte, wie viel Zucker und wie hoch der Anteil des gesättigten Fettes am gesamten Fett in einem Lebensmittel ist, dann bewegt man sich ans Ende der Grundschulzeit. Die Mittelstufe des Ernährungswissens sollte nicht vor dem 1.Schuljahr bzw. dem Kindergarten und der Vorschule besucht werden. Möchte man also wissen, wie viele cis- und trans-Fettsäuren im Lebensmittel sind, dann gleicht das einem Sprung in die Oberstufe zum Thema: die chemisch-physikalischen Strukturanalysen über die Konfiguration einer Substanzklasse. Diese grundsätzlich also zu verschiedenen Lernphasen gehörigen Inhalte, dürfen nicht gemeinsam „verabreicht“ werden.

Die Lösung kann hier im Sinne einer strukturierten Didaktik dem Prinzip „vom Einfachen zum Komplexen“ folgen: auf der Basis des größtmöglichen gemeinsamen Nenners wird zunächst die einfachste Stufe realisiert.

Alle weiteren Stufen sind dann für eine immer kleiner werdende Gruppe von Menschen verstehbar, führen also zwangsläufig zum Unverständnis, zur Ablehnung oder zur Ignoranz und haben somit keine Berechtigung für eine allgemein verständliche Umsetzung. Dieses Ziel muss fast schon dem Vorgehen der Industrie unterstellt werden, denn die Industrie-Kennzeichnung GDA oder 4+1 genannt entspricht genau diesem Informationswirrwarr!

Eine Lösung, die für alle Verbraucher Sinn macht
Die Lösung sollte darin bestehen, dass die Lebensmittelindustrie sämtliche ernährungsphysiologisch relevanten Inhaltsstoffe (Fettsäureprofile, Zuckerbestandteile, Vitalstoffe, Mineralien, Allergene etc.) auf einer für alle Verbraucher zugänglichen Internet Plattform zur Verfügung stellen müssen. Diese Datenbank wird von unabhängigen Experten gepflegt. Die Daten können in dieser Form zudem allen beratenden Ernährungsfachleuten so zur Verfügung gestellt werden, dass sie den wissbegierigen aber noch nicht wissenden Verbraucher beraten können.

Zucker
Zucker ist sicherlich aus vielen Gründen ein wissenswerter Bestandteil der Ernährung. Direkt mit Zucker werden „Süßigkeiten“ assoziiert, die in der Zahnhygiene in Form von Karies immense Probleme bereiten und überdies als eine der wesentlichen Ursachen für die Entstehung der Adipositas und der Diabetes erkannt werden.

Natürlich rechtfertigen diese Eigenschaften eine Kennzeichnung von Zucker. Nur welcher „Zucker“ soll gekennzeichnet werden?
Auch ein Kind, das ständig an einer Zuckerrohrstange kaut und lutscht bekommt also aller Voraussicht nach Karies. Hinzu kommt, dass mit der zusätzlichen Zuckerung „leere Kalorien“ aufgenommen werden, also Kalorien, die keine weiteren gesundheitsdienlichen Nährstoffe mehr enthalten. Ein weiterer Grund dafür den „zugesetzten Zucker“ erkennbar zu machen. Es gibt jedoch gleich mehrere „Zuckerarten“ die zu erkennen sinnvoll wären. Die normale Definition von Zucker meint die meist aus Zuckerrüben und Zuckerrohr hergestellte Saccharose (aus Glucose und Fructose).

Fruktose solo wird auch als Fruchtzucker aber eben nicht als Zucker bezeichnet. Obwohl der Fruktose positive Eigenschaften im Zusammenhang mit der Diabetes zu Teil werden, nämlich, dass die Verstoffwechselung insulinsparender funktioniert, wird Fructose dennoch als ein auslösender Faktor des metabolischen Syndroms erkannt, wenn sie als „Zuckerersatz“ Verwendung findet – (aktuelle Studien USA). Konsequenter Weise müsste Fructose als Zuckerzusatz oder Zuckeranalogon dann ebenso gekennzeichnet werden. Schon heute ist abzusehen, dass die Lebensmittelindustrie aus beliebig vielen Molekülen aufgebaute Zuckeranaloge herstellen kann, die dann entsprechend unverstehbar gekennzeichnet würden. Verwendet man logisch konsequent den Begriff Zuckeranaloge auf einer Kennzeichnung wird dann kaum noch Jemand verstehen, was damit gemeint ist.

Wenn man sich dafür entscheidet „Zucker“ zu deklarieren, würden wir vorschlagen, dass damit auch alle Zucker definiert sind, die in diese Gruppe der Zuckeranaloge gehören.

Gesättigtes Fett
Das gesättigte Fett als Fraktion im Gesamtfett zu definieren ist ernährungsphysiologisch ebenso sinnvoll. Gesättigte Fette haben nur eine rein energetische Qualität, sind also im Vergleich ähnlich zu bewerten, wie die „leeren Kalorien“ aus dem zugesetzten Zucker – nur dass sie pro Mengeneinheit mehr als doppelt soviel Energie beinhalten.

Es ist im Umkehrschluss ein Fett mit wenig gesättigtem Fett nicht deshalb gleich ein „gesundes“ Fett. Nur ein ausgewogenes Fettsäureprofil aus unterschiedlichen einfach- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren kann als eine gesunde Fettzufuhr deklariert werden. Diese zu deklarieren halten wir für nicht umsetzbar. So ist das Fettsäuremuster von der Butter einer Kuh auf einer Alm, die sich von der Vielfalt der Almwiese ernähren konnte und dabei ausreichend Bewegung hatte, viel ausgewogener als das einer noch so „raffiniert“ hergestellten Margarine – ganz abgesehen von Butter, die von billig gefütterten Stallkühen stammt.

Hier fehlt dem Verbraucher sehr viel Grundlagenwissen, um die Wertigkeit von Fetten beurteilen zu können. Mit einer Kennzeichnung des gesättigten Fettes alleine wird dieses Wissen nicht ausreichend gefördert. Dennoch kann als Konsequenz festgestellt werden, dass dort, wo gesättigtes Fett vorhanden ist, kein weiteres Fett sein kann. Das „Restfett“ mit welchen ungesättigten Fettsäuren auch immer ist zumeist gesünder als gesättigtes Fett.

Lösung
Wenn Unterfraktionen der Energieträger gekennzeichnet werden sollen, kann die methodisch-didaktische „Stringenz“ der visuellen Kennzeichnung beibehalten werden, die assoziative Farbgebung muss somit differenziert werden. Zucker gehören zu den Kohlenhydraten. Es bietet sich an, Zucker ebenso in einem unterscheidbaren Grünfarbton darzustellen. Gesättigte Fette sollen in einem abgesetzten Gelbfarbton zu erkennen sein (siehe Beispiele: BOP & Didaktische Reduktion).

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